Transzendenz & Immanenz
Das akademische Jahr 2016-2017 im KHK war der Unterscheidung zwischen Tranzendenz und Immanenz gewidmet. Abgesehen vom westlich-europäischen Ursprung der Begriffe „Tranzendenz“ und „Immanenz“, gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die Wechselbeziehung, die in der Tranzendenz-Immanenz-Unterscheidung zum Ausdruck kommt, als ein Leitprinzip des Religiösen gilt. Auch wenn die Unterscheidung zwischen „Gott/heiten“ und „der Welt“ als spezifische (protestantische) Lesart von Tranzendenz nicht notwendiger Weise und nicht immer Bestandteil jeglicher Religion ist, so spielen doch einige Formen der Tranzendenz-Immanenz-Unterscheidung und Tranzendierungsprozesse in jeden religiösen Tradition eine gewisse Rolle.
Dynamik einer Unterscheidung
Die Dynamik der Tranzendenz-Immanenz-Unterscheidung kann für die vergleichende Forschung operationalisiert werden, z. B. kann die Unterscheidung als tertium comparationis in die Religionswissenschaft übernommen werden. Dabei bietet sich ein Drei-Ebenen-Modell von Tranzendierungsprozessen an: Ausgegangen wird in diesem Modell von einer basalen Transzendenz, die in einfachen deistischen Aktionen wie dem zeigen auf (dabei Etablieren einer Wechselbeziehung zwischen dem Hier und Dort und der Welt) ihren Ausdruck findet. Die basale Tranzendenz (beeinflusst durch Kontakt) kann sich in eine formelle Tranzendenz entwickeln, in dem sie den selbstreflektiven Prozess des „Zurücktretens und des darüber Hinwegblickens ('stepping back and looking beyond', B. Schwartz) bezeichnet, z. B. in dem die Unterscheidung zwischen dem Hier, dem Dort und der Welt selbstreflektiv formalisiert wird (vielleicht um zwischen eigenen Reflektionsmöglichkeiten und Alltagsgebaren zu unterscheiden). Diese Unterscheidung kann dann weiterhin präzisiert werden als religiöse (spezifische) Transzendenz, wie z. B. in der allbekannten Unterscheidung in göttliche und weltliche Sphäre ihren Ausdruck findet. Zumindest die ersten beiden Typen, die basale und die formelle Tranzendenz, können in jeder religiösen Tradition identifiziert werden.
Bei dem historischen Kontakt von einer religiösen mit einer anderen religiösen Tradition, drängt sich die Frage auf, wie sich die aufeinandertreffenden Typen der Tranzendenz-Immanenz-Unterscheidung semantisch formen. Genauer gesagt produzieren solche interreligiösen Begegnungen einen semantischen Raum der „kontroversen Gemeinsamkeiten“, in dem die Tranzendenz-Immanenz-Unterscheidung von den Akteuren präzisiert wird. Situationen des Religionskontakts können einen Anreiz für die Anhänger eine spezifische Religion bieten, sich stärker dem Konzept der spezifischen Tranzendenz (z. B. im Einführen eines „wirklichen“ Gottes gegenüber weltlich paganen „Dämonen“) zu öffnen und dieses zu übernehmen. Vielleicht werden die Prozesse während des Kontaktes zwischen Vertreter/innen verschiedener Religionen selbst in Bezug auf die Tranzendenz-Immanenz-Unterscheidung beschrieben.