Fokusgruppe "Materialität"
Die Fokusgruppe "Materialität" befasst sich mit Praktiken und Ereignissen, bei denen Gegenstände, die mit religiöser Bedeutung aufgeladen sind, Anwendung finden. Eine solche objektbezogene Herangehensweise deckt eine Spannbreite an Phänomenen ab: So sind z. B. die Anwendung digitaler Technik zur Verbreitung religiöser Botschaften, die Anwesenheit heiliger Texte bei Kulthandlungen, der Einsatz von Werken der Kunst zur Vermittlung von Spiritualität oder die Raumordnung sakraler Bauwerke zu nennen. Materialität steht dabei jedoch nicht allein für den praktischen Gebrauch von Objekten in einem religiösen Kontext, sondern beinhaltet gleichermaßen die Funktion dieser Gegenstände und die Absicht ihrer Herstellung im Sinne einer Mediatisierung von Immanenz zu Transzendenz.
Die zentrale Bedeutung einer materialorientierten Praxis innerhalb der Religionen verlangt nach einer Betrachtung der Zusammenhänge von Religion, Materialität und Medien. Der Themenkreis "Religion und Medien" erfährt seit geraumer Zeit eine zunehmende Beachtung und zwingt die Forschung zur Berücksichtigung des religiösen Gehaltes einer Vielzahl von Medien. Eine Erweiterung des Blickwinkels über westliche Medieninstitutionen und zeitgenössische Medienlogik hinaus geschieht bei der Betrachtung von Religion und Medien hingegen nur schleppend. Um dies zu beschleunigen strebt die Fokusgruppe ‚Materialität‘ eine Diskussion der unterschiedlichen Aufgaben, Funktionen und Beziehungen materialer Objekte im Verlauf der Mediatisierung an. Dabei geht es insbesondere um folgende Fragen:
- Welche Aufgabe kommt der Materialität innerhalb der Religionen zu und unter welchen Vorrausetzungen wird ein Gegenstand zu einem religiösen Objekt?
- Wie verhält sich der Begriff ‚Medium‘ zu Religion und Materialität und wie kann Mediatisierung erklärt werden?
- In welcher Weise vereinfachen oder erschweren Medien und Materialität den Kontakt zwischen den Religionen und wie funktionierte Mediatisierung zu früherer Zeit und in außereuropäischen Kulturen?
Ausgehend von den Arbeiten Birgit Meyers, David Morgans und Arjun Appadurais betrachtet die Fokusgruppe die Bedeutung von Materialität für die Formierung religiöser Gemeinschaften und Ästhetischer Praktiken. Aus dieser Perspektive gesehen steht die Materialität für eine Eigenschaft, die Birgit Meyer als ‚empfundene Formen‘ (‚sensational forms‘) bezeichnet und womit Handlungen, Vorstellungen, körperlicher Erfahrungen im Verhandlungsraum des Gewöhnlichen und des Außergewöhnlichen.
Die Fokusgruppe "Materialität" diskutiert die Mediatisierung anhand von empirisch-fundierten Beispielen, wobei insbesondere folgende Themenbereiche behandelt werden:
- Neue Medien und alte Medien: Die Entwicklung von mündlicher Überlieferung und Schriftkultur im Zusammenhang mit Medientechnologien, von gedruckten Wort zu den sozialen Netzwerken.
- Visuelle Wahrnehmung, d.h. die Funktion religiöser Bildwerke für die Mediatisierung.
- Heilige Räume, d.h. wie Materialität zur Schaffung eines tatsächlichen oder gedachten heiligen Raumes beitragen kann und wie dies mit transzendenten Erfahrungen verbunden ist.
Bei Betrachtung dieser und ähnlicher Themenfelder widmet sich die Fokusgruppe "Materialität" in besonderem Maße der Mediatisierung der Gesellschaft in Gegenwart und Vergangenheit und schließt dabei Zusammenhänge zwischen Europa und Asien ein. Indem die Verflechtung von Religion und Medien angesprochen und die Bedeutung von Objekten hervorgehoben wird, skizziert die Fokusgruppe einen Zusammenhang zwischen Immanenz und Transzendenz im Sinne einer materialen Mediatisierung der Religionen.