Veränderungen im westphönizischen "Pantheon" unter dem Einfluss der Kulturkontakte mit Griechen und Etruskern sowie der Vorherrschaft Karthagos (im 6.-4.Jh.)
Da die o.g. Phänomene noch nicht umfassend und kaum unter religionsgeschichtlichen und soziologischen Aspekten untersucht sind, soll dieses Desiderat mit dem hier skizzierten Projekt erfüllt werden. Ein erster notwendiger Arbeitsschritt ist freilich, die bisherigen Untersuchungen, die unter dem Begriff der Hellenisierung bzw. der punischen Akkulturation die relevanten Phänomene abgehandelt haben, daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie unter unserer speziellen Fragestellung verwendbar sind. In einem zweiten Schritt ist nach Zeugnissen zu suchen, die noch keine entsprechende Auswertung erfahren haben, wobei vor allem numismatisches Quellenmaterial besondere Aufmerksamkeit verdient. Im dritten Schritt werden die verwertbaren Zeugnisse der "Akkulturation" im religiösen Kontext - literarische Quellen, Funde an Kultplätzen und Grabstätten; Münzen - systematisch untersucht, d.h. nach geographischen und chronologischen Kriterien zunächst getrennt. Im vierten Schritt ist dann anhand der sich ergebenden Evidenzen nach systematischen Bezugspunkten zu fragen.
Untersuchungsziel ist es zum einen, die bisherige Forschung, die von einer notorischen Unterlegenheit und "Barbarismus" der westphönizischen Religion (und Kultur) ausgeht, dahingehend zu revidieren, dass unvoreingenommen nach der jeweiligen Selbst- und Fremdwahrnehmung gefragt werden kann. Zum anderen soll nach Möglichkeit die Dynamik der Interferenzen religiöser Adaption und Abgrenzung in den punisch-griechischen (bzw. punisch-etruskischen) Kontakt- respektive zunehmend (seit dem 5. Jh.) auch Konfliktzonen herausgearbeitet werden. Wenn es bei dem Untersuchungsgegenstand auch nicht um die großen religiösen Traditionen der Antike geht, so eignet sich doch das westphönizisch-karthagische Fallbeispiel ausgezeichnet zur Analyse wesentlicher Mechanismen respektive Potentiale.