Hieronymus, das "Alte" Testament und die Juden

In dem Projekt sollen mindestens die folgenden drei Bereiche bearbeitet werden: a) Hieronymus und jüdische Traditionen in der Literatur seit der Mitte des 19. Jahrhunderts (Forschungsüberblick) Das Thema "Hieronymus und die Juden" wurde wiederholt in der Forschung thematisiert. Das Hauptinteresse ist dabei jedoch die Frage nach dem Antijudaismus des Hieronymus (vgl. insbesondere die wegweisenden Arbeiten von Heinz Schreckenberg). Daneben wird ein Schwergewicht auf die Frage der Sprachkenntnisse des Kirchenlehrers und die Frage nach der Verwendung seiner echten oder vermeintlichen jüdischen Quellen gelegt. Auf diesen interreligiösen (und interkulturellen) Austausch hatten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert bereits verschiedene Wissenschaftler der "Wissenschaft des Judentums", insbesondere Moritz Rahmer, hingewiesen, allerdings wurde auf deren Vorarbeiten nur vereinzelt zurückgegriffen. So ist eine bis heute ungelöste Frage, wie gut der Kirchenvater selbst des Hebräischen mächtig war und inwieweit er rabbinische Hilfe, z.B. durch R. Berechja, in Anspruch nahm. Daran schließt sich die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Hieronymus zu den Juden an. Entsprechend soll die Forschungsgeschichte nachgezeichnet werden, insbesondere im Blick auf den zu Unrecht in Vergessenheit geratenen Moritz Rahmer. b) Die Verwendung jüdischer Quellen in der Kommentierung der Bibel dargestellt an exemplarischen Werken zum Alten und Neuen Testament Hieronymus hat genannte und ungenannte jüdische Quellen zur Erläuterung biblischer Texte herangezogen. Hier lässt sich rückwärtsgewandt nach der Herkunft und genauen Bezeichnung dieser Quellen fragen. Eine Gesamtdarstellung ist hier jedoch nicht geplant. Vielmehr sollen exemplarisch an einzelnen Stellen des hieronymianischen Kommentarwerks diese Quellen aufgedeckt werden. Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt jedoch darauf, das dadurch vermittelte Bild von Juden nachzuzeichnen. Daneben sollen Texte untersucht werden, die über die Verwendung einzelner Bibelstellen im Gesamtwerk des Hieronymus Aufschluss geben (exemplarisch sei hier die Figur des Melchisedek genannt) bzw. die zu gesonderten Thematiken im Spannungsfeld mit den jüdischen Zeitgenossen zu sehen sind (exemplarisch sei hier auf den grossen Themenkomplex "Reinheit" verwiesen). c) Überblick über die Wirkungsgeschichte der hieronymianischen Kommentare und des von ihm geleisteten Kulturtransfers Auf der Grundlage der vorangehend dargestellten exemplarischen Bibelkommentierungen soll deren Wirkungsgeschichte bei ausgewählten Bibelkommentatoren späterer Zeiten (z.B. Beda Venerabilis, Sedulius Scottus, Nicolaus von Lyra, Johannes Calvin) dargestellt werden.

Die Darstellung der Verwendung jüdischer Traditionen im Werk des Hieronymus hat zum Ziel, zu zeigen, dass die Exegese des Kirchenvaters nicht in einem luftleeren Raum stattgefunden hat. Vielmehr ist Hieronymus nicht nur nicht ohne seine christlichen, sondern auch nicht ohne seine jüdischen Zeitgenossen zu denken. Allerdings stellt sich hier erneut die Frage, inwieweit die Trennung der Religionen (nur) eine gewollte Entscheidung (so allem Anschein nach seit der ersten ökumenischen Synode von Nikaia) oder eine tatsächliche Realität war. Ist also das Christentum des Hieronymus ohne das zeitgenössische Judentum denkbar? Und umgekehrt: Lässt sich aus Hieronymus Umgang mit dem Judentum etwas über die noch nicht kanonischen Formen des Judentums herausfinden? Ist Hieronymus seinerseits zudem auch als eine Quelle für verloren gegangene jüdische Traditionen zu sehen? Sind also Christentum und Judentum statische oder dynamische Größen? Ein zweites Ziel ist die exemplarische Beleuchtung der Wirkungsgeschichte der hieronymianischen Exegese. Sie ist nicht folgenlos geblieben, sondern hat eine Bedeutung für die nachfolgenden Generationen bis in die Reformationszeit hinein gehabt. Welche Relevanz hat das für das christliche Bild vom Judentum gehabt? Inwieweit lassen sich Spuren der jüdischen Exegese, wie sie bei Hieronymus Aufnahme gefunden hat, in der späteren Tradition nachweisen? Durch die Bedeutung von Hieronymus für die Erforschung des Christentums und des Judentums des ausgehenden vierten und fünften Jahrhunderts ist der Kirchenlehrer durchaus eine doppelte Quelle für den zeitübergreifenden Kulturtransfer. Auch das gilt es aufzuzeigen.

Beteiligte Personen

GH

PD Dr. Görge K. Hasselhoff

Einzelforscher*in

goerge.hasselhoff@rub.de