Doctrina Machumet

Die Fragen des Juden Abdia an den Propheten Muḥammad in christlicher Tradition

Eine kritische Edition des lateinischen Textes auf der Grundlage der relativ zahlreichen Handschriften sowie der beiden Erstdrucke steht noch aus und bildet den Kern des Projekts. Darüber hinaus beabsichtige ich eine Untersuchung über die Rezeption der Doctrina im christlichen Europa, die bisher überhaupt nicht näher erforscht worden ist. Ein Vergleich mit dem arabischen Original fehlt bisher ebenfalls und gestaltet sich schwierig: Es ist bisher nicht kritisch ediert, ja eine "definitive" Edition dieses Textes scheint wegen der zahlreichen verschiedenen Fassungen gar nicht möglich zu sein (vgl. J. Kritzeck, Peter the Venerable and Islam, 1964, 89; eine aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständige Liste von Handschriften gibt Pijper in seiner Leidener Dissertation von 1924, 35ff.). Eine in Kairo um 1867 gedruckte Ausgabe, die bisher für "nicht auffindbar" (Bobzin) gehalten wurde, konnte inzwischen in zwei Exemplaren ausfindig gemacht werden, außerdem ein Nachdruck sowie eine englische Übersetzung aus einem arabischen Original. Bezüglich der Handschriften müssen noch umfangreiche Recherchen angestellt werden, die im Idealfall zur Identifizierung der Vorlage von Hermann von Dalmatien oder wenigstens einer ähnlichen Fassung führen sollen. In jedem Fall muss der Edition des lateinischen auch ein arabischer Text beigegeben werden, gegebenenfalls die nächststehende eruierbare Fassung. Dies soll mithilfe eines in Editionsphilologie versierten Arabisten (Post-Doc) verwirklicht werden. Die Kommentierung des Werkes schließlich erfordert neben arabistischer auch judaistische Expertise, da die nicht nur die Fragen des Juden Abdia, sondern auch die Antworten Muḥammads größtenteils jüdischer Legendentradition entstammen dürften. Deshalb ist es unerlässlich, hier einen entsprechenden Experten (Judaisten) als Fellow zu gewinnen. Er soll in einer fortgeschrittenen Phase des Projekts entscheidend an der Kommentierung und Situierung der Doctrina im Kontext jüdisch-muslimischer Beziehungen mitarbeiten.

Durch die wissenschaftliche Bearbeitung der Doctrina wird die christliche Rezeption eines Werkes untersucht, das nach dem Koran als die wichtigste "Quellenschrift" des Islam für das lateinische Mittelalter und die frühe Neuzeit gelten kann; sie stand bisher und steht derzeit immer noch im Schatten der Forschung zur lateinischen Koranrezeption und ist daher von den Gelehrten weitgehend vernachlässigt worden. Sie hat aber zur Konturierung des westlichen Islambildes nicht unwesentlich beigetragen und verdient daher eine intensive Erforschung, worauf jüngst besonders hingewiesen worden ist. Andererseits dürfte die quellenkritische Einzelerklärung der Doctrina auch wichtige Aufschlüsse über die legendarische Tradition bezüglich des Verhältnisses Muḥammads zu den Juden von Medina geben. Die Doctrina Machumet bietet so gleich in zweifacher Hinsicht die Möglichkeit, exemplarische Konstellationen von Religionskontakten während der Institutionalisierung und Ausbreitung des abrahamitischen Traditionsgeflechts zu untersuchen: zum einen die Konfrontation des lateinischen Abendlands (zunächst Spaniens, dann auch des übrigen christlichen Europa) mit dem Islam seit 12. Jahrhundert, zum anderen aber mittelbar auch den Einfluss des Judentums auf den Islam in seiner Entstehungsphase im 7. Jahrhundert und die dadurch gegebene indirekte Rückwirkung auf das jüdisch-christlich-muslimische Verhältnis im Abendland. Die Projektziele passen sich daher unmittelbar in das Konzept des Kollegs ein.

 

Beteiligte Person

Beteiligte Personen

Foto von Prof. Dr. Reinhold Glei

Prof. Dr. Reinhold Glei

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