Immanenz und Transzendenz in den ästhetischen Darstellungen des Schlafes zwischen Antike und Moderne
Trotz der zahlreichen Kenntnisse, welche die Schlafforschung heute zur Verfügung stellt, ist der Schlaf, womit wir das Drittel unserer Lebenszeit verbringen, immer noch ein rätselhaftes
Phänomen. Seine unterschiedlichen kulturellen Kodierungen, einmal als Verwandter des Todes, wie er seit der Antike immer wieder verstanden wurde, oder ein andermal im Christentum als Folge des Sündenfalls, oder wiederum anders als Vertreter vorindividueller Einheit mit der ganzen Natur, wie ihn die Romantiker betrachteten, haben dazu beigetragen, dass man im Kontrast zur alltäglichen Auffassung, die den Schlaf bloß als physiologische Notwendigkeit für die Erholung des Körpers ansieht, in der Kunst und Literatur einen unerwarteten Reichtum der Metaphorisierung des Schlafes findet. Manche davon zeugen vom einem rätselhaften Schwellenerlebnis, weisen auf einen nur scheinbar passiven, in der Realität aber durchaus aktiven Zustand hin, laden sie dramatisch auf, und nicht zuletzt formen sie zu einem Enigma, in dem sich all das, was uns am Schlaf befremdet, zu einer Erfahrung des Anderen, des Fremden, des ‚Transzendenten' formt.
Mit dieser Fokussierung auf die Metaphorisierung des Schlafes in der Spätantike und in ihren modernen Transformationen hofft das Projekt eine ergänzende Perspektive zur Traumforschung anzubieten. Die Gründe für diese Trennung liegen einerseits in einigen Mythen des Schlafes selbst, zum Beispiel im Endymion-Mythos, in dem der Traum keine besondere Rolle spielt. Außerdem ermöglicht die wissenschaftsgeschichtliche Perspektive meines Projekts die sehr variablen Relationen zwischen den beiden Phänomenen zu skizzieren.
Das Forschungsprojekt, stützt sich somit auf das wachsende Interesse und an die neuen Ergebnisse an, die sich in der interdisziplinären Erforschung des Phänomens des Schlafes in den letzten Jahren zeigen, wie z. B. in der Philosophie Simon Morgan Wortham (2013), in der Kulturgeschichte der Medizin die Arbeit von Sonja Kinzler (2011), in der Altertumswissenschaft die Untersuchung von Petra Strobl (2005). Eine Verbindung wissenschaftsgeschichtlich orientierter Schlafforschung mit den historischen Geisteswissenschaften könnte als aktuelles Desiderat betrachtet werden.