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KHK-Fellow-Interview: "Neuland in der Religionsforschung"

Ende März 2020 endet die zweite Förderphase des Käte Hamburger Kollegs "Dynamiken in der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa". Als größtes Forschungsvorhaben mit internationaler Reichweite hat es das Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES) in den letzten zehn Jahren enorm geprägt. Zeit also, um in den nächsten Monaten etwas zurück und etwas nach vorne zu blicken und Gastwissenschaftler/innen des KHK zu Wort kommen zu lassen. Im sechsten Interview der Reihe kommt der Erfurter Religionswissenschaftler Vasilios Makrides zu Wort. Als einer der wenigen Religionswissenschaftler im deutschsprachigen Raum untersucht er die Religions- und Kulturgeschichte des Orthodoxen Christentums insbesondere in Griechenland, Südosteuropa sowie in Russland.

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Wie sind Sie das erste Mal mit dem Käte Hamburger Kolleg in Kontakt gekommen?

Durch das Leben, Arbeiten, Lehren und Forschen in Deutschland habe ich mich immer bemüht über Entwicklungen im Bereich der Religionswissenschaft im Allgemeinen sowie über benachbarte Disziplinen und Forschungsgebiete auf dem neusten Stand zu bleiben, insbesondere wenn es an einer deutschen Universität ein großes Forschungsprogramm wie das KHK gab. Ich kannte schon im Voraus Volkhard Krech, den Direktor, und deshalb besuchte ich die Website und lernte die Gesamtheit des Kolleg-Forschungsprogramms kennen. Der Direktor lud mich ein für ein Jahr nach Bochum als Fellow zu kommen. Sein Grund für die Einladung lautete, dass das Kolleg einen Spezialisten für den Bereich orthodoxes Christentum, das sich historisch zwischen Europa und Asien entwickelt hatte, benötigte. Natürlich hatte ich keinerlei Einwände und akzeptierte ich das verlockende Angebot ohne es mir zweimal zu überlegen.

Wie war Ihr Forschungsaufenthalt in Bochum? Und worum ging es in Ihrem Forschungsprojekt?

Mein Forschungsaufenthalt in Bochum war in vielerlei Hinsicht sehr lohnenswert - und das nicht nur in akademischer Hinsicht: Das KHK war als Institution nicht isoliert, sondern befand sich innerhalb des riesigen Universitätskomplexes, so dass ich stets die Möglichkeit hatte, irgendwie mit der gesamten akademischen Gemeinschaft in Kontakt zu sein und den Universitätsalltag zu erleben. Ich habe auch in der Nähe gewohnt und so war die Entfernung ziemlich kurz. Die Infrastruktur des KHK war insgesamt sehr gut, und ich erhielt jede notwendige Unterstützung ohne Komplikationen. All dies machte es recht einfach, dass ich mich in das neue akademische Umfeld integrieren konnte. Natürlich hatte ich auch die Gelegenheit ab und zu durch Bochum und andere Orte und Städte in der Umgebung zu reisen, etwas das ich vorher nicht gemacht hatte. Insgesamt habe ich rückblickend nur gute Erinnerungen an meinen Aufenthalt in Bochum. Mein Forschungsthema am Kolleg beschäftigte sich mit der historischen und gegenwärtigen Nähe des orthodoxen Christentums und des Islams im Westen und dem, was als "moderne westliche Herausforderungen" wahrgenommen wurde und wird.

Inwiefern trägt Ihr Forschungsthema zu einem besseren Verständnis von religiösen Dynamiken und Religionskontakten bei?

Wenn man die Beziehungen zwischen dem orthodoxen Christentum und dem Islam aus diesem Blickwinkel betrachtet, wird man notwendigerweise mit Fragen des religiösen Kontakts und der religiösen Dynamik konfrontiert. Erstens waren vielfältige Kontakte zwischen den beiden religiösen Kulturen unvermeidlich wegen der historischen und geografischen Gründe am Schnittpunkt der beiden Kontinente Asien und Europa. Zweitens waren diese Kontakte eben nicht nur von Problemen, Spannungen und Konflikten geprägt, sondern auch von neuen und ziemlich unerwarteten Impulse, die eine ungewöhnliche Dynamik in ihren gegenseitigen Beziehungen zeigten. Auch heute haben beide Islam und das orthodoxe Christum ihre Probleme mit dem Westen. Daher ist es interessant zu sehen, wie diese Opposition sie auf verschiedene, ungewöhnliche und unvorhergesehene Weise zusammenbrachte. Es handelt sich in der Tat um eine ungewöhnliche "Allianz" mit vielen Facetten und weitreichenden Konsequenzen, die einer genaueren Untersuchung und Bewertung bedarf.

Was charakterisiert das KHK im Vergleich zu anderen Forschungsinstitutionen?

Ich bin einigermaßen vertraut mit anderen Forschungsinstitutionen im In- und Ausland und kenne eine ähnliche Institution an meiner Heimatuniversität, das Max Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien in Erfurt, ziemlich gut. Sie alle haben Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Was ich aber am KHK besonders aufregend fand, waren die regelmäßigen Plenarsitzungen an jedem Montag, die nicht nur die Gelegenheit gaben andere Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu treffen, sondern auch fruchtbare Diskussionen zu führen, die später beim Abendessen fortgesetzt wurden. Darüber hinaus bot das KHK die Möglichkeit, dass die Fellows Initiative ergreifen konnten, um z. B. verschiedene Aktivitäten, wie einen internationalen Workshop, zu organisieren. Außerdem hatten wir genügend Freiräume, um die Forschung der KHK-Fellows entsprechend ihren spezifischen Bedürfnissen zu betreiben.

Welchen Einfluss auf Ihren Forschungsprozess hatte der Aufenthalt am KHK Bochum? Hat die Forschung und theoretische Arbeit am KHK Ihre Forschung beeinflusst? Und wenn ja wie?

Angesichts der Vielfalt der Möglichkeiten, half mir das Kolleg meine Forschung zu kontextualisieren und interdisziplinäre Perspektiven, insbesondere im Rahmen einer euroasiatischen Religionsgeschichte, stärker zu berücksichtigen. Ich habe von der theoretischen Arbeit gut profitiert, insbesondere mit den Arbeiten von Volkhard Krech über religiöse Dynamiken und Entwicklungen und ich hoffe wirklich, dass ich in Zukunft noch tiefer in solche Fragen einsteigen kann.

Zuletzt ein Blick in die Zukunft: Das KHK Bochum mag zeitlich begrenzt sein, aber wie sollte Religionswissenschaft z. B. in etwa zehn Jahren mit Religionsgeschichte umgehen?

Das Kolleg hat aus meiner Sicht Neuland betreten und aus interdisziplinärer Sicht wichtige Beiträge zur Religionsforschung geleistet. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Meine Prognose lautet, dass diese zukünftige Studien noch interdisziplinärer werden, insbesondere durch die stärkere und entschlossene Integration von naturwissenschaftlichen Ansätzen in die Religionswissenschaft. Diese Entwicklung kommt nicht überraschend. Tatsächlich durchlief das gesamte wissenschaftliche und institutionalisierte religionswissenschaftliche Studium seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Phasen der theoretischen und methodologischen Entwicklung. Natürlich wird dies auch in Zukunft geschehen, daher müssen wir offen bleiben für neue Ideen, Perspektiven, Methoden und Möglichkeiten. Dies ist die immerwährende zentrale Herausforderung für die Religionswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, da sie immer unterschiedlichen Hintergründe mitbringen und dadurch regelmäßig Kommunikationsprobleme entstehen können. Wir müssen daher all diesen verschiedenen Perspektiven in einen sinnvollen Rahmen integrieren, der uns hoffentlich dabei helfen wird, religiöse Phänomene noch besser zu erfassen und zu verstehen.

Interview von Ulf Plessentin, Übersetzung: Diana Marques Correia & Ulf Plessentin