Bericht: Conference 'Religious Pluralism In Europe and Asia I' (September 2012, Austin, TX)

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Bericht: “Religious Pluralism In Europe and Asia: Conditions, Modes, and Consequences. Part I: From Antiquity to the Times of Colonialism (Sept. 28-30, 2012)

Eine gemeinsame Veranstaltung des Department of Religious Studies, University of Texas at Austin, und dem Käte Hamburger Kolleg „Dynamiken der Religionsgeschichte zwischen Asien und Europa“, Ruhr-Universität Bochum.

von Jessie Pons und Sven Wortmann

Die University of Texas at Austin war ein hervorragender Veranstaltungsort für diese Konferenz über „Religiösen Pluralismus in Europa und Asien“. Es war eine interessante Erfahrung, drei Tage auf dem Campus einer der renommiertesten Universitäten der Vereinigten Staaten zu verbringen und die Möglichkeit zu haben, einige der führenden, auf Europa und Asien spezialisierten Gelehrten auf den Gebieten der Religionswissenschaft, Geschichte und Linguistik zu treffen. Trotz der vielfältigen Veranstaltungen, die zeitgleich stattfanden, besuchte eine große Anzahl von Forscherinnen und Forschern die Konferenz (ca. 50 Personen inklusive der 20 Vortragenden) und beteiligte sich an den Diskussionen. Dank der perfekten Organisation durch Karl Galinsky (Austin, TX) und seiner Assistenten waren die ausgelassenen und enthusiastischen Gespräche im Konferenzsaal genauso dynamisch wie während der Kaffeepausen und des Abendessens.

In seinem einleitenden Vortrag stellte Thomas A. Tweed (Austin, TX) die neuesten Entwicklungen seiner flow-Metapher für die Erforschung von religiösem Pluralismus vor. Im Anschluss an eine Kurzdarstellung seines theoretischen Rahmens illustrierte er seinen Ansatz anhand einer Fallstudie zur vormodernen Begräbnispraxis in Santa Fe. Seine methodologischen Implikationen entwickelte er zu zehn Leitprinzipien der Religionsforschung weiter.

Session I: Multiple Traditions In the Near East and the Mediterranean

In der ersten Sitzung diskutierte Eckart Frahm (New Haven, CT) wie sich der Aufstieg der neuen assyrischen und babylonischen Imperien auf die offizielle Religion der Eliten und Untertanen auswirkte. Durch einen Vergleich der Situationen im neu-assyrischen Reich in Niniveh und Assur, im neubabylonischen Reich in Babylon und in der südlich gelegenen Stadt Uruk –  Orte die sich sowohl im Zentrum als auch an der Peripherie der imperialen Macht befinden – beobachtete Frahm, dass die Autorität der herrschenden Klasse nicht in die Religion der Untertanen eingriff.

In ähnlicher Weise stellte Erich Gruen (Berkeley, CA), der über religiösen Pluralismus im römischen Kaiserreich unter besonderer Berücksichtigung des Judentums sprach, fest, dass „Toleranz“ und „Intoleranz“ keine angemessenen Begriffe sind, um die römische Religionspolitik zu beschreiben, da die römischen Herrscher der Religion ihrer Untertanen größtenteils indifferent gegenüberstanden.

Karla Mallette (Ann Arbor, MI) schlug in ihrem Vortrag zur heiligen Sprache im mittelalterlichen Mittelmeerraum vor, „heilige Sprache“ als eine linguistische Strategie zu definieren, die Gemeinschaften nutzen, um über die eigenen konfessionellen Praktiken und das geistige Leben zu sprechen. Ihre Fallstudie zu Konstantin-Kyrills zeigte, dass ihn seine pluralistische Sichtweise hinsichtlich heiliger Sprache in Konflikt mit der Kirche brachte, die nur drei Sprachen als heilig anerkannte. Sie betonte zudem die Wichtigkeit der Materialität der Sprache, d.h. des geschriebenen Alphabets, für die Heiligkeit von Sprache.

Session II: Encounters of Religions in Central and South Asia

Johan Elverskog (Dallas, TX) beschäftigte sich in seinem herausfordernden Vortrag mit dem Zusammenhang zwischen der Diffusion des Buddhismus und der Reiswirtschaft. Er kritisierte die Konzentration auf religiöse Semantiken in der Religionsgeschichte und forderte dazu auf die Geschichte des Buddhismus aus dem Blickwinkel der Ökonomie neu zu schreiben. Die durch den Vortrag ausgelöste Diskussion dominierte die folgenden Debatten der Konferenz in einem beträchtlichen Ausmaß.

Robert Mayer (Oxford) fragte nach religiösem Pluralismus im Tibet des 12. Jh. indem er die historischen Trajektorien zwischen Bon, der indigenen tibetischen Religion, und dem Buddhismus, einer importierten Religion, neu bewertete. Er betonte die Dynamik der Verhandlung zwischen Buddhismus und Bon und zeigte die Muster auf, nach denen sich beide Traditionen gegenseitig formten.

Session III: South Asia – Rituals and Architecture

Richard Eaton (Tucson, AZ) präsentierte drei Schlüsselmomente der Verbreitung des Islam in Indien: die türkisch-persische Migration im 13. Jh., die Regionalisierung der muslimischen Herrschaft im Bengalen des 15. Jh. und die Indigenisierung muslimischer Herrschaft und muslimischen Rechts in Deccan im 17. Jh. Er zeigte, dass klassische Studien die Unterscheidung von Hindus und Moslems überschätzt haben, indem sie ignorierten, dass religiöse Elemente tiefgreifend und ganz bewusst miteinander verwoben und als Teil indischer Rituale, Architektur, Politik und Recht akzeptiert wurden.

Jessie Pons (Bochum) zeigte, wie sich die Interaktion zwischen Brahmanismus und Buddhismus in der Gandhara-Kunst manifestiert. Sie hob mehrere Mechanismen ikonographischer und symbolischer Entlehnung hervor, die dazu anregen, die religiöse Zuordnung bestimmter ikonographischer Motive zu überdenken.

Sven Wortmann (Bochum) skizierte die soziale und semantische Emergenz des religiösen Feldes im antiken Indien, indem er verschiedene Schichten indischer Literatur miteinander verglich und die Prozesse anhand der Bourdieu‘schen Terminologie sozialer Felder modellierte. Zudem kontrastierte er Erich Gruens Beispiel religiöser Indifferenz römischer Herrscher mit der aktiven politischen Einflussnahme Ashokas.

Session IV: Between East and West

In seinem Vortrag über Manichäismus und die Emergenz von religiöser Pluralität konzentrierte sich Jason DeBuhn (Flagstaff, AZ) auf einen Text über Manis Versuch das, worauf wir uns beziehen wenn wir von Religion sprechen, unter den Begriff „Din“ (Frömmigkeit) zu subsumieren. Mani hebt die Gemeinsamkeiten zwischen den Religionen hervor, um ein Paradigma von Religion zu erstellen.

Christen in den multi-religiösen Städten des Mittleren Osten vom 7. bis ins 13. Jh. waren das Thema von Dorothea Weltecke (Konstanz). Nach einigen allgemeinen Bemerkungen zu Städten in der muslimischen Welt und einer Skizze des Systems der mittelalterlichen Kirchen betrachtete sie Modi der Interaktion, des Austausches und des Wettbewerbs zwischen religiösen Trends und legte dar, wie die multi-religiöse und multi-konfessionelle Situation im Nahen Osten als dynamisierender Faktor auf das östliche Christentum und das Christentum im Allgemeinen wirkte.

Ronnie Po-chia Hsia (University Park, PA) behandelte die dritte Welle der christlichen Expansion nach China während der Ming Dynastie zum Ende des 16. Jh. und untersuchte die Frage nach religiöser Pluralität sowohl aus chinesischer als auch aus christlicher Sicht. Für die katholischen Missionare implizierte das Christentum eine Logik des religiösen Wettbewerbs und der Intoleranz, wohingegen es für die Chinesen offensichtlich war, dass es sich um die Grundlegung eines multi-ethnischen Imperiums handelt.

Fazit

Trotz der vielen präsentierten Fallstudien drehte sich die Diskussion hauptsächlich um terminologische Fragen, wie die Anwendung von Tweeds Flow-Metapher und die von Elverskog aufgeworfene Frage, ob religiöse Semantiken in der Religionswissenschaft über- oder unterrepräsentiert sind. Einigung konnte darüber erzielt werden, dass der normativ-politische Begriff „Pluralismus“ von dem deskriptiven Begriff der „Pluralität“ unterschieden werden muss. Die große Interesse der Teilnehmer, sich Erkenntnisse aus ihnen fachfremden Bereichen anzueignen und zu diskutieren sowie die Bereitschaft an einer gemeinsamen Terminologie zu arbeiten führten zu einer sehr direkten und anregenden Diskussion. Daher freuen wir uns alle auf die Anschlusskonferenz „From the Age of Colonialism to Present Times“ im Frühjahr 2014 in Bochum.