Sakralisierung und Desakralisierung in der arabisch-islamischen Sprachkultur im 20. Jahrhundert
Das beantragte Teilprojekt soll die Wechselwirkungen des Säkularen und Sakralen in der arabischen Sprachkultur im 20. Jahrhundert behandeln. Ausgangspunkt ist dabei die These, dass im Arabischen die sprachliche Vergegenwärtigung des Sakralen sowie umgekehrt die "weltliche" Funktionalisierung religiöser Sprache seit langem nebeneinander existieren und in einem Wechselverhältnis stehen, das sich der uns geläufigen Trennung von Sakralität und Säkularität vielfach entzieht. Bis heute verband wohl keine andere Sprache das unübersetzbare, direkte göttliche Wort in vergleichbarer Breite mit menschlicher Dichtung, Rhetorik und Wissenschaft. Neben den religiösen Dimensionen der mündlichen Alltagssprache und der modernen Schriftsprache sollen insbesondere die Strategien untersucht werden, mit denen sich die Akteure unterschiedlicher religiöser und politischer Bewegungen dieses Wechselspiel säkularer und religiöser sprachlicher Funktionen zunutze gemacht haben. Hierbei folgte auf die Säkularisierung religiöser Begriffe in den politischen Ideologien und in der modernen arabischen Literatur eine zunehmende Resakralisierung politischer Diskurse und Utopien, die politische Bewegungen wie auch die arabische Öffentlichkeit zunehmend beherrscht.
Für die zeitgenössischen Wechselwirkungen von Sakralität und Säkularität im Arabischen sollen insbesondere zwei Aspekte näher zu untersucht werden. Dies ist zum einen die auffällige Häufigkeit religiös geprägter Phraseologie in der Schriftsprache wie in den Dialekten. Auch die nicht-muslimischen Sprecher des Arabischen, selbst Atheisten sind in diesen selbstverständlichen täglichen Austausch islamischer religiöser Phrasen einbezogen. Hier lässt sich von einer entschlossenen Veralltäglichung, geradezu einer Domestizierung des Sakralen sprechen, die auf ihre Weise durchaus "säkulare" Züge trägt. Ein zweiter Bereich der Untersuchung gilt dem Schrifttum der politischen Bewegungen der arabischen Welt seit dem 19. Jahrhundert. Diese machten sich das islamische sprachliche Erbe in verschiedener Weise zunutze. Arabische Nationalisten und Linke griffen immer wieder auf religiöse Symbole und Sprachmuster zurück, um ihre eigenen Ziele und Aktivitäten zu sakralisieren. Das hieß aber auch, dass sich die religiösen Symbole selbst verflüssigten und aus ihrem ursprünglich festen Kontext lösten, in einem Vorgang der sprachlichen Säkularisierung, der auch für das Deutsche seit dem 19. Jahrhundert (besonders für Nietzsche) gut beschrieben ist. Auch im Arabischen ließ er eine parareligiöse politische Sprache aufkommen, die in mancher Hinsicht an den deutschen Nationalismus und Nationalsozialismus erinnert. Der Diskurs der modernen islamischen Bewegungen knüpft hieran an, dient aber in noch weit größerem Ausmaß der Sakralisierung der politischen Sphäre. Auch hier ist die Wechselwirkung von Sakralisierung und Verweltlichung im sprachlichen Handeln unverkennbar, die in den mit großem rhetorischem Einsatz inszenierten Medienbotschaften von al-Qacida und anderen militanten islamischen Gruppen der Gegenwart einen Höhepunkt findet.